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Um deinen Umgang mit Kleidung zu überdenken, kannst du dir im ersten Schritt mit einer Inventur deines Kleiderschranks einen Überblick verschaffen. Nimm dir Zeit und beschäftige dich mit deinen Lieblingen. In welchen Farben, Formen, Schnitten und Materialien fühlst du dich wohl? Diese Stücke spiegeln unabhängig von Trends dein Kleidungsbedürfnis und deinen Stil wider. Wusstest du, dass nach dem Prinzip der Capsule Wardrobe ca. 37 Teile im Schrank reichen, um für alle Gelegenheiten passend gekleidet zu sein? Sammle deine Favoriten zusammen und schau, wie du sie kombinieren kannst. Als Unterstützung im Aufbau einer Capsule Garderobe und einem persönlichen Stil kann dir ein:e Stylist:in helfen oder auch inspirierende Vorbilder und Video Tutorials. Stöbere durch eine Auswahl davon in unserem herunterladbaren Ressourcen-E-Book.

Lege Kleider, die zu deinen Favoriten gehören, aber defekt sind oder nicht mehr ganz passen auf einen Stapel. Um sie wieder zum Leben zu erwecken, kannst du sie selbst reparieren oder bei einer Änderungsschneiderei Unterstützung suchen. Die Bluse sitzt perfekt, aber die Farbe war ein Fehlgriff? Kleidung umfärben ist sogar in der eigenen Waschmaschine schnell und einfach gemacht. Probiere mal aus, kleine Veränderungen selbst vorzunehmen, die deine Zeit mit der Kleidung verlängern und intensivieren. Bist du unsicher? Dann suche dir Rat bei Expert:innen. 

Das Kleid aus dem letzten Sommerurlaub ist in Ordnung, aber trotzdem eine Schrankleiche? Dann freut sich ganz bestimmt jemand anderes! Es gibt viele Möglichkeiten, deine Kleidung weiter zirkulieren zu lassen: tauschen, spenden, upcyceln, verkaufen oder als letzte Option recyceln.  

Für Kleider, bei denen du unsicher bist, ob du sie behalten möchtest, erlaube dir eine Bedenkzeit und entscheide dann, was sich richtig für dich anfühlt. Pausen sind auch die goldene Regel, um Impulskäufe zu vermeiden und dir klar zu werden, ob ein Neukauf überhaupt nötig ist und in deine Garderobe passt. Die Größe deines Kleiderschranks bleibt konstant, wenn ein neues Stück nur Einzug erhält, wenn du vorab ein anderes verantwortungsbewusst aussortiert hast. Ein nachhaltiger Kleiderschrank bedeutet weniger Kleidung kaufen, diese länger tragen und gut pflegen und wenn wir sie nicht mehr tragen, weiterzugeben.

Ein sicheres Bewusstsein für den eigenen Stil hilft uns, Neukäufe zu reduzieren und Kleidung mit Freude länger zu nutzen. Dies ist der Schlüssel für einen nachhaltigen Kleiderschrank. Während der Produktion von Kleidung werden große Mengen an Energie, Wasser und Ressourcen verbraucht. Durch eine kurze Nutzzeit und das schnelle Wegwerfen von Kleidung, werden viele wertvolle Ressourcen verschwendet und Berge von Abfall produziert. Laut McKinsey erzeugen wir pro Kopf in Europa durchschnittlich 15 kg Textilmüll pro Jahr. (3) Dieser wird meist verbrannt oder landet auf einer Mülldeponie in Ländern des globalen Südens. Gerade Fast Fashion Produkte aus synthetischen Materialien verschmutzen als Plastikmüll die Umwelt. Nach den United Nations Environment Programme (UNEP) könnten die negativen Klimaauswirkungen jedoch um die Hälfte reduziert werden, wenn jedes Kleidungsstück doppelt so oft verwendet wird wie bisher. (4)

Der Wandel hin zu einem nachhaltigen Umgang mit Textilien ist eine gesellschaftliche Aufgabe und beginnt bei uns und der Kleidung in unserem Schrank, denn die nachhaltigste Kleidung ist die, die wir bereits besitzen. Hast du schon mal darüber nachgedacht, wie sich deine Wertschätzung für Neukäufe und ältere Kleidung aus deinem Schrank unterscheidet? Weniger neue Kleidung zu kaufen und stattdessen eine intensivere Beziehung zu unserer Kleidung zu pflegen, ist ein radikaler Wandel unserer Konsummuster, denn mit Mode drücken wir unsere Identität, Emotionen und Kreativität aus. 

Aufgrund komplexer globaler Wertschöpfungsketten haben wir auch keine intensive Beziehung zu den Menschen, die unsere Kleidung herstellen, meist unter unwürdigen Bedingungen und unter Verletzung von Menschenrechten. Die Kampagne #Whomademayclothes der Initiative Fashion Revolution macht auf diese Lücke aufmerksam und ermutigt den eigenen Konsum und dessen Auswirkungen kritisch zu hinterfragen. (5)

Doch vor allem die Modeindustrie selbst muss ihre Wirtschaftsweise überdenken, die auf Gewinn durch Mengenwachstum basiert. Schnelllebige Trends, geringe Qualität und die im Vergleich zu Instandhaltungskosten viel preiswerteren Neuartikel sind Methoden der Industrie, um eine verfrühte Alterung von Produkten herbeizuführen (= Obsoleszenz) und uns immer wieder zu Neukäufen anzuregen.

Eine Greenpeace Studie aus dem Jahr 2019 zeigt deutlich die massiven Qualitätsverluste nach dem ersten Waschen von vermeintlichen Schnäppchen und belegt: “Wer billig kauft, kauft zweimal” (7).  Somit führt Fast Fashion am Ende immer zu höheren Ausgaben in unseren Kleiderschränken. 

Die Cost per Wear Formel (also “Kosten pro Tragen”) zeigt dir die Kosten deiner Kleidung pro Tragen, indem du den Preis des Kleidungsstückes durch die Anzahl der Tage teilst, an denen du es trägst. Während bei einem Paar Jeans für 40 €, die einmal pro Woche ein Jahr getragen werden, die Cost per Wear bei 0,77 € liegen, sind es bei hochwertigen Jeans für 120 €, die über 5 Jahre einmal pro Woche getragen werden, nur 0,46 €. In Qualität zu investieren ist daher langfristig preiswerter und reduziert gleichzeitig die negativen Umweltauswirkungen des Kleiderkonsums.

Trotz wachsendem Bewusstsein in der Modebranche wandelt sich die Industrie nicht schnell genug und hält am schädlichen System aus “Nehmen, Herstellen, Entsorgen” fest. Daher braucht es starke politische Regularien, die die Textilindustrie auf den Pfad hin zu einer nachhaltigen Entwicklung rücken. 

Mittels der Strategie für nachhaltige und zirkuläre Textilien als Baustein des “Green Deals” (9) strebt die Europäische Union bis 2030 einen Wandel der Textilindustrie hin zu einem nachhaltigen Ökosystem an.(10) Die Strategie umfasst die Einführung diverser neuer Richtlinien und Verordnungen, um die Langlebigkeit, Reparierbarkeit und Recyclefähigkeit von Textilien zu gewährleisten sowie soziale Rechte und Ökosysteme zu bewahren. Da dieser neue Rechtsrahmen von Vertreter:innen der EU Mitgliedsstaaten geformt wird, kann sich die Schlagkraft der politischen Regularien mit jeder Wahl verändern.

In dem du deinen Kleiderschrank überdenkst, gehst du den ersten Schritt, um den Wandel auch politisch zu gestalten. Mit unseren Konsumentscheidungen können wir den Handlungsdruck auf Unternehmen und Politik verstärken. Wir haben die Kraft, den Wandel mitzugestalten: mit nachhaltigen Konsumentscheidungen und dem Einstehen für unsere Werte und eine zukunftsfähige Gesellschaft mit unserer politischen Stimme.